Aktuelles - Details

Pakistan trifft Hamburg

Oder: wie unsere Steuerverwaltung mit Kollegen aus Punjab und Khyber Pakhtunkhwa ins Gespräch kam.

Olaf Paulsen, Finanzbehörde Hamburg

© Finanzamt Hamburg-Mitte


Wie aus dem Nichts heraus wurde Angela Nottelmann, Amtsleiterin der Steuerverwaltung, gefragt, ob sie bereit wäre, einer Delegation pakistanischer Steuerkollegen einen Einblick in das deutsche und europäische Umsatzsteuerrecht zu geben.

Zwei Monate später war es dann am 7. Dezember letzten Jahres soweit: 8 Vertreter der Regionen Khyber Pakhtunkhwa und Punjab sowie vier Begleiter von der „giz“, der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, besuchten unsere Hamburger Steuerverwaltung. Ein Tag Umsatzsteuer in Theorie und Praxis standen auf dem Programm. Der Vormittag wurde in der Finanzbehörde bestritten, am Nachmittag gab es Praxistipps durch die Kollegen aus dem Finanzamt Hamburg-Mitte. Beide Teams waren bestens präpariert, um den Kollegen unser System und unsere Arbeitsweise näherzubringen: Auf Englisch, teils im direkten Gespräch und mittels Präsentation, teils auf Deutsch mit Unterstützung durch eine Dolmetscherin. § 87 Absatz 1 der Abgabenordnung, „die Amtssprache ist deutsch“, fand hier (natürlich) keine Anwendung…

Nach der Begrüßung durch Angela Nottelmann machten Dr. Frank Bokelmann, Stefan Harmuth und Olaf Paulsen aus dem Umsatzsteuerreferat am Gänsemarkt den Auftakt. Das Mehrwertsteuersystem auf EU-Ebene, das nationale Umsatzsteuergesetz sowie die Abstimmungsmechanismen auf EU- und Bundesebene standen im Mittelpunkt dieses theoretischen Input-Abschnittes. Zahlen, Daten und Fakten zur Hamburger Verwaltung der Umsatzsteuer, zu der bundes- und EU-weiten Zusammenarbeit sowie dem Steueraufkommen rundeten die gut dreieinhalbstündige Vormittagseinheit ab. „Es war klasse, wie interessiert und engagiert unsere Gäste waren“, freute sich Frank Bokelmann. „Wir konnten sehr schnell von einigen vorbereiteten Inhalten abweichen und mit den Kollegen direkt in eine spannende Fachdiskussion einsteigen.“

Wo und wie Mittagessen, war eine der großen Fragen im Vorfeld des Besuches. „It`s very important to find a restaurant with halal food“, hatte David Davidsson, der giz-Pakistan Team Leader - Result Area Revenue Generation - gebeten. Gar nicht so einfach, angesichts nur einstündiger Mittagspausenzeit. Ideal wäre das Shalimar hinter der Finanzbehörde gewesen. „Aber ein indisches Restaurant für eine pakistanische Delegation?“, fragten sich die Hamburger…
… „no problem“ lautete die Antwort und es wurde ein entspanntes wie leckeres Mittagsmahl. Wie schön, wenn allen realen kriegerischen Konflikten zum Trotz die Streitigkeiten bzgl. einer Essensfrage in den Hintergrund treten können!

Auf die Minute pünktlich wurden die pakistanischen Kollegen dann vom Gänsemarkt zum Finanzamt Mitte in die Steinstraße geführt. Eine perfekte kleine Stadtführung, mit kreisenden Hubschraubern und viel Polizei auf den Straßen - wegen des zeitgleich stattfindenden OSZE-Außenministertreffens in den Messehallen. Doch während die deutschen Begleiter schwer beeindruckt waren, blieben die Pakistani relaxed: „like at home“, lautete der Kommentar eines paschtunischen Kollegen.

Am Eingang des Steinstraßengebäudes wurde dann die Delegation von dem Finanzamts-Vorsteher Thomas Schlamp und seinem Team begrüßt, ein obligatorisches Gruppenfoto stand an. Im „blauen Salon“, dem schönsten Besprechungsraum in dem Steinstraßengebäude, wurde es dann wieder ernst: Schluss mit Smalltalk und ruhigem Nachwirkenlassen des Mittagessens, die Kollegen aus Mitte hatten für die Pakistani ein buntes Menü zum „real life in VAT“ (VAT = Value added tax; dt. Mehrwertsteuer) zusammengestellt.

Inge Richter, zuständige Sachgebietsleiterin für die Neugründungsstelle, erläuterte deren Aufgaben und Arbeitsweisen bei der Prüfung neuer Steuerpflichtiger und die Kunst, diejenigen „aufzuspüren“, die meinen, ihre Geschäfte im Stillen und am Finanzamt vorbei machen zu können. Ein sehr spannendes Feld für die Kollegen aus Khyber Pakhtunkhwa und Punjab, denn die sind gerade erst dabei, eine regionale Steuerverwaltung für Umsatzsteuerfragen aufzubauen und extrem stark daran interessiert, Anregungen für ihre heimatliche Arbeit mitzunehmen.

In perfektem Englisch brachte die Betriebsprüferin Yvonne Zschenker den Gästen die Umsatzsteuer-Sonderprüfung näher und wurde hier von den Kollegen mit Fragen förmlich gelöchert, denn weltumgreifend gilt unter Steuerbeamten das Motto: Vertrauen in die Angaben der Steuerpflichtigen ist gut, eine funktionierende Kontrolle aber ist besser!

Perfekt ins Bild passten da die Beschreibungen der Recherche-möglichkeiten unserer Steuerkollegen in verschiedenen Datenbanken (z.B. LUNA, USLO, ZAUBER und OZEAN), die von der Betriebsprüferin Ramona Seifert-Schwarz präsentiert wurden. Und auch hier hatten die Delegationsvertreter eine Vielzahl von Fragen aufgrund ihrer eigenen, negativeren Erfahrungen und der bestehenden Kulturunterschiede, die gerade auf dem Gebiet der Steuermoral erkennbar waren. Auch Thorsten Havekosts Vortrag zu den Möglichkeiten bei einer Umsatzsteuernachschau traf voll ins Schwarze: „Einfach mal so rausgehen und schauen, ob der Steuerpflichtige am angegebenen Geschäftssitz tatsächlich anzutreffen ist und was er dort so genau treibt“ - das hatten sich die Pakistani sehr viel streitanfälliger und komplizierter vorgestellt.

Dass aller gute Außendienst nichts wert ist, wenn der Innendienst nicht federführend die Fälle prüft und aussteuert, machte Jörg Schultze-Scheer deutlich. Die Arbeit in der Umsatzsteuer-Voranmeldungsstelle, mit dem dahinterstehenden elektronischen Voranmeldungsverfahren und seinen Prüf- und Risikohinweisen sowie das Handling von 11.000 Umsatzsteuerpflichtigen durch eine Handvoll Innendienst-Kollegen nötigten den auswärtigen Kollegen höchsten Respekt ab.

Nach gut drei Stunden Vortrag und emsiger Diskussion auch im Finanzamt Hamburg-Mitte waren nicht nur unsere Hamburger Kollegen geschafft, auch die Delegationsmitglieder aus Khyber Pakhtunkhwa und Punjab waren voll von umsatzsteuerfachlichem Input. „Es hat riesig Spaß gemacht, weil die Diskussionen mitunter ganz schön in die Tiefe gingen“, sagte Thorsten Havekost. „Das Feedback, das wir von den pakistanischen Kollegen und ihren Begleitern von der giz bekommen haben, war durchweg positiv“, freute sich Thomas Schlamp, der Leiter des Finanzamtes, und ergänzte: „Es hat sich gelohnt, diese Zeit zu investieren. Nicht nur für die pakistanischen Kollegen, sondern auch für uns waren die Diskussionen erhellend.“

„Mehr als sechseinhalb Stunden Umsatzsteuer an einem Tag, das strengt an“, lachte David Davidsson, der für die giz die Reise organisiert, betreut und begleitet hatte. „Doch ihr Hamburger habt das klasse gemacht, vielen Dank. Unsere Partner in Khyber Pakhtunkhwa und Punjab waren voll des Lobes und haben zu mir gesagt: David, bring those guys to Pakistan to explain their system to our colleagues!“ Und schon lag zwei Monate später die Einladung für einen Workshop in Islamabad auf dem Schreibtisch von Angela Nottelmann.

 

Kategorie :  Öffentliche Finanzen   
Region :  Pakistan   

Zurück zur Liste